Der russische Überlebenskampf

Nachdem mit THQ der Publisher des ehemaligen „Strategiespiels des Jahres“, Company of Heroes, die Schließung bekanntgeben musste, war nicht klar, ob sich die Serie fortsetzen würde. Als Sega dann die Lizenzen für das Projekt erstand, stellte sich natürlich direkt die nächste Frage: Wird das Spiel auch so gut wie der Vorgänger?

Die Geschichte beginnt mit dem ehemaligen russischen Leutnant Lew Isakowitsch, der einem Untersuchungskommissar erzählt, wie er den Krieg wahrgenommen hat. Im Gegensatz zu Teil eins wird dabei nicht nur Rücksicht auf das Kampfgeschehen selber genommen, sondern auch auf die Schrecken des Krieges. So ist zum Beispiel Befehl 227 mit von der Partie, der vorsieht, dass sich zurückziehende Truppen sofort erschossen werden. Der Rest der Geschichte ist nicht sonderlich überraschend, da sämtliche Kapitel auf wahren Ereignissen basieren.

Zum Einstieg in die Geschichte wird man in die Schlacht um Stalingrad hineingeworfen. Ein besseres Wort als „hineingeworfen“ gibt es tatsächlich nicht, denn Company of Heroes 2 verzichtet unschönerweise auf Tutorials in jeglicher Form. Einzig durch winzig kleine Anmerkungen werden die Features, die den zweiten Teil vom Ersten unterscheiden sehr knapp erläutert. Das hingegen ergibt für alle, die Company of Heroes gespielt haben, sehr viel Sinn, da das Spiel im Bezug auf Gameplay außer neuen Einheiten und Fähigkeiten dem Vorgänger gleicht wie ein Ei dem Anderen. So lässt sich Company of Heroes 2 wie schon Teil eins genauso steuern wie jedes andere Strategiespiel – Linksklick bedeutet auswählen, Rechtsklick bringt die Einheiten direkt zu einer Aktion wie Bewegen oder Angreifen. Mit dem HUD oder per Hotkey lassen sich Gebäude und Verteidigungsanlagen bauen, Einheiten ausbilden und Spezialfähigkeiten verwenden. Nur die Tatsache, dass Infanterie in Gruppen von bis zu sechs Mann gleichzeitig befehligt wird, unterscheidet die Steuerung wesentlich von Genreklassikern wie Age of Empires. Wieder einmal gibt es jedoch auch hier eine kleine Ausnahme: Die Fahrzeuge. Diese sind je nach Terrainbeschaffenheit mitunter schwer zu steuern, da Funktionen wie ein Rückwärtsgang zwar viele Möglichkeiten zum manövrieren schaffen, der KI jedoch auch die Wegfindung deutlich erschweren.

Company of Heroes 4

Infanterie wird in Gruppen gesteuert

Ein harter Winter – für alle

Ebenfalls von großer Bedeutung ist das hohe Maß an Realität, was die Wirkungen der Waffen angeht. Es ist zum Beispiel wenig ratsam, mit Panzerabwehrwaffen auf Infanterie zu Zielen oder aber mit einem MG auf einen Panzer zu feuern. Der beantwortet das nämlichi mit einem lockeren Spruch wie zum Beispiel „Deutsches MG kitzelt uns.“, bevor er Sperrfeuer auf die angreifenden Trupps legt. Selbstverständlich standen die Spieleentwickler auch vor dem großen Problem, den russischen Jahrhundertwinter in einem angemessenen Maß umzusetzen. Leider ist hier viel Potential verloren gegangen – man kann zwar mit Granatenfeuer zugefrorene Flüsse zum einbrechen bringen, und die Infanteristen bewegen sich merkbar langsamer, beginnen sogar zu unterkühlen, erfrieren auf lange Sicht, sobald sie Tiefschnee betreten und benötigen Lagerfeuer oder Häuser um sich wieder aufzuwärmen – allerdings wird keiner der Aspekte zu einem merkbaren Hindernis oder zu einem nutzbaren Vorteil. Schade eigentlich.

Company of Heroes 1

MGs erschaffen Todeszonen für Infanterie – gegen Panzer sind sie jedoch wirkungslos

Da für gewöhnlich ab Missionsbeginn eine Basis aufgebaut ist, oder im Verlauf der Mission automatisch gebaut wird, fällt ein Aufbauaspekt nahezu komplett weg. Viel wichtiger ist für den Spieler die Zusammensetzung aus der seine Armee bestehen soll. Hier wurde dank dem Spieldesign nicht an Möglichkeiten gespart. Es ist möglich, hauptsächlich auf Infanterie mit leichter Artillerie- oder Panzerunterstützung aufzubauen, oder etwa schwere Panzer mit ein wenig Infanterie abzusichern. Wer möchte, kann sogar gänzlich auf schweres Gerät verzichten und nur mit Infanterie mit Flammenwerfern, MGs und Panzerabwehrwaffen vorzurücken. Was den Spielstil betrifft, sind also kaum Grenzen gesetzt. Auch die Missionen sind abwechslungsreich gestaltet, obwohl es immer wieder darauf hinausläuft Kontrollpunkte zu erobern, um Ressourcen für weitere Truppen zur Verfügung zu haben und Territorium zu gewinnen. Allerdings wurden auch hier während der insgesamt 14 Kampangenmissionen ein paar Abweichungen vom Grundprinzip geschaffen, die dafür sorgen, dass es nie langweilig wird. Eben das ist auch äußerst wichtig, da durch den geringen Schwierigkeitsgrad kaum Stress aufkommt – allerhöchstens wenn man die Bonusziele erfüllen möchte. Wer also ein Freund von knallharten Singleplayer-Kampangen ist, der findet in Company of Heroes zwei eher keinen großen Schatz.

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Panzer können ein Schwerpunkt der Armee sein – wenn man denn will

Ist zwar bei der Umsetzung des Winters beim Gameplay viel verloren gegangen, wird das durch den schönen Anblick desselben fast schon wieder wettgemacht. Der Schneefall wirkt äußerst glaubhaft, Fahrzeuge hinterlassen Spuren im Schnee anhand derer man sie sogar verfolgen kann, und Laufende oder sterbende Infanterie hinterlässt auch deutliche Abdrücke. Besonders wichtig ist allerdings, dass diese nicht einfach normale Texturen sind, sondern dass sich das 3D-Modell des Schnees in Echtzeit verändert, was zu einer realistischen Darstellung des Winters das übrige beiträgt. Doch nicht nur beim Winter kann die grafische Darstellung glänzen, auch die übrige Atmosphäre des Krieges wird perfekt dargestellt. Detailreich gestaltete Fußsoldaten schmeißen sich bei Mörserbeschuss sofort auf den Boden, während sich um sie herum eine Stadt in Wohlgefallen auflöst, denn schließlich ist fast die gesamte Spielwelt zerstörbar. Einzig die von Zeit zu Zeit etwas schwammigen Bodentexturen können den Eindruck der Zerstörung und des Krieges in Stadtgebieten vermindern, in ländlicheren Gegenden gibt es hingegen grafisch rein gar nichts zu bemängeln.

Mit Company of Heroes 2 ist es SEGA gelungen, den hohen Standard des Vorgängers beizubehalten. Das ohnehin schon gute Gameplay ist an ein paar Ecken noch glattgeschliffen worden und gibt sich nun von der besten Seite. Somit lässt sich beruhigt sagen, dass es weder spielerisch noch atmosphärisch derzeit ein Strategiespiel aus der Weltkriegsära gibt, welches sich mit den Ansprüchen von Company of Heroes 2 messen kann. Obwohl es bei letzterem noch Luft nach oben gibt, bietet das Spiel alles in allem ein rundes und faszinierendes Spielerlebnis.

Unsere Wertung:

8-Wertung

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